Österreich: Eine typische b'soffene G'schicht

 

Warum das Ibiza Video keine Besonderheit zweier FPÖ-Politiker ist

 

Kommentar von Almedina Gunic, RKO BEFREIUNG, www.rkob.net, 19.5.2019

 

 

 

Eine der wohl spektakulärsten Wenden in der österreichischen Innenpolitik ist durch etwas verursacht worden, dass vom ehemaligen Vizekanzler H.C. Strache als “b'soffene G'schicht” bezeichnet wurde. Ein Video hält fest, wie der ehemalige FPÖ-Chef unter zunehmender Alkoholisierung Geschäfte zu machen versucht mit einer angeblichen, russischen Investorin. Dabei ist er in Begleitung des inzwischen ebenso designierten FPÖ Klubobmanns Gudenus, der das Treffen arrangierte. Was die Herren nicht wussten war, dass es sich um eine Falle handelte und die Aktion vom ersten Moment an gefilmt wurde. Vielleicht waren die freiheitlichen Saufköpfe wegen dem Erscheinen der Villa, in die sie geladen wurden so leicht zu täuschen. Vielleicht wurden sie auf Grund des Alkoholpegels und des vom Komiker Böhmermann angesprochenen Kokainkonsums leichtsinnig. Vielleicht war die Finte aber auch hervorragend organisiert.

 

In jedem Fall ist der Inhalt des Videos gleich in mehrfacher Hinsicht von größter Sprengkraft. Investitionen werden von Strache vorgeschlagen wie der Kauf der dem Rechtspopulismus sowieso nicht abgeneigten Kronen-Zeitung, um sie Orban-artig durch Absetzen verschiedener Journalisten und Befördern anderer in ein quasi-Parteiorgan der FPÖ zu verwandeln. Eine Baufirma zu gründen wird vorgeschlagen, die alle baulichen Staatsaufträge erhält um die STRABAG auszubooten. Das allein um Haselsteiner und Co. eins auszuwischen. Überhaupt sei es Gang und Gebe über eines angeblich gemeinnützigen Verein Parteispenden zu tätigen. So machen es Superreiche wie die “Kaufhaus”-Erbin Heidi Horten (die das dementiert) und Waffenrtycoon Gaston Glock (der das dementiert) oder Novomatic (der das dementiert) um von der Regierungspartei Steuererleichterungen und öffentliche Aufträge geschenkt zu bekommen. Interessant ist hier, dass Strache erwähnt, so mache es jeder inklusive der ÖVP.

 

Das Videomaterial ist nur in Ausschnitten öffentlich gemacht worden und die Süddeutsche Zeitung (die zusammen mit dem Spiegel das Angebot für das Material bekommen hat) wird sicher bereitwillig für eine Story mit einem solch hohen Aufregungsfaktor gezahlt haben. Der Punkt ist aber: Nichts von alle dem ist eine echte Überraschung. Und mehr noch ist das, was in dem Video zu sehen ist, kein besonderer Einzelfall zweier FPÖ-Politiker. Alle bürgerlichen Parteien bedienen sich der steuerlichen Schlupflöcher wenn sie Spendengelder der Superreichen absahnen. Kaum ein bürgerlicher Politiker egal welchen Geschlechts hat keinen Dreck am Stecken. Wenn überhaupt gilt das (not-so-)gentlemen's agreement, dass es alle tun und daher alle dazu schweigen.

 

Ebenso ist die Entschuldigung Straches an seine Frau (an dieser Stelle kein Mitgefühl für die rassistische Philippa Strache, die nicht nur Moderatorin von oe24 sondern auch von FPÖ TV war) wegen seinem anzüglichen Verhalten der jungen Gastgeberin gegenüber sowie seine Rede über den Wert der Familie blanke Heuchelei um öffentlich Mitleidspunkte seiner Wählerschaft zu kassieren. Jungen, weiblichen Fans in Diskos das Dekoletée zu signieren war klassischer Teil des H.C. Strache Wahlkampfs. Nicht davon zu reden wie sexistisch die FPÖ Politik und Propaganda seit jeher ist. Den spieß-bürgerlichen Saubermann representiert der verheiratete Strache gerade auch deswegen so gut, weil er sich auf Ibiza an eine junge, hübsche Frau im Minirock vergreifen mag und später seine Ehefrau dafür öffentlich um Verzeihung bittet.

 

Nein, das Video und sein gesamter Inhalt ist ein Spiegel des wahren Lebens der bürgerlichen Spitzenpolitiker. Eine schmierige Politikerhand wäscht die andere schmierige Konzernchefhand. Das ist das Wesen der kapitalistischen Politik. Wenn sich bürgerliche Politiker wie Kurz und Doskozil in Österreich oder auch  Nahles in Deutschland entrüstet äußern, so in erster Linie um das Image der bürgerlichen Politik zu wahren. Im derzeitig laufenden Kampf des Flügels kapitalistisch-protektionistischer Nationalstaat gegen den Flügel imperialistische Vereinigung à la EU ist ein Schlag gegen die FPÖ auch für viele bürgerliche Politiker des zweiten Camps eine willkommene Gelegenheit.

 

Die europäische Presse stürzt sich auf die Geschichte und bedient damit auch den Anti-Russland Mainstream der jubelnden EU-Anhänger. Dabei sind weder das imperialistische Russland, noch die imperialistische EU, noch das imperialistische Österreich als Nationalstaat die richtige Wahl. So sehr es freut, einen erz-rassistischen, reichen, aufgeblasenen Sexisten wie den Strache und seinen gleichermaßen widerwärtigen Kumpel Gudenus fallen zu sehen: Entscheidend sind nicht die beiden Saufköpfe, oder die FPÖ oder die Reaktionen der ÖVP, oder des Bundespräsidenten oder der EU oder Russlands. Entscheidend ist was wir daraus machen, dass ein solches Video alleine schon Tausende von Menschen innerhalb weniger Stunden zum Protest mobilisiert.

 

Wir als fortschrittliche Arbeiterinnen und Arbeiter, als kämpferische Migrantinnen und Migranten müssen endlich den Lauf des Geschehens bestimmen. Dank einer “b'soffenen G'schicht” liefern uns Strache und Gudenus ihre Köpfe auf dem Silbertablett. Damit sollten wir uns in keinster Weise zufrieden geben. Gerade jetzt macht es Sinn die Öffnung der Geschäftsbücher der Konzerne zu erkämpfen, um all die kleinen und großen Spendenflüsse aufzudecken. Der Waffentycoon Glock wird von Strache als Beispiel genannt. Welche öffentlichen Aufträge sind an die Glock GmbH ergangen im Gegenzug der Parteispenden an die FPÖ?  In wieweit geschah das im Namen des imperialistischen Bundesheeres oder des rassistischen Polizeiapparates?

 

Die bürgerliche Presse spielt mehr und mehr Werbeanzeigen verschiedener Konzerne ein. Die bürgerliche Pressefreiheit ist sowieso eine Augenauswischerei, da nur Medien mit entsprechender Finanzstärke auch eine wirkliche Reichweite kriegen. Auch wenn Straches Traum einer FPÖ-Kronen-Zeitung nicht umgesetzt worden ist: Wenn Konzerne, die bestimmte Parteien fördern, Verträge mit den Medien machen – welche Art journalistischer Unabhängigkeit soll da noch vorgegaukelt werden? Wirkliche Unabhängigkeit gibt es nur bei Verstaatlichung aller Medien unter Kontrolle der Beschäftigten und der Demokratisierung des Zugangs zu Medien für alle Teile der Bevölkerung.

 

Es ließe sich noch viel mehr aufzählen, doch eines ist ganz besonders wichtig. Es gilt die Aufhebung sämtlicher rassistischer und islamophober Gesetze wie das Kopftuchverbot, die Asylgesetze, das Islamgesetz und aller anderen zu erkämpfen! Gerade jetzt, wo die FPÖ dank der “b'soffenen G'schicht” von Strache und Gudenus ins Schleudern gerät muss alles was die Freiheitlichen am offensten vertreten, nämlich den Rassismus gegen unsere migrantischen sowie muslimischen Brüder und Schwestern, mit aller Konsequenz zerschlagen werden!  Der Kampf für offene Grenzen und sofortiges, uneingeschränktes Bleiberecht ist wichtiger denn je! Volle Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen für alle Menschen, die hier leben – das müssen wir erkämpfen. Volle Gleichberechtigung und Religionsfreiheit für unsere muslimischen Brüder und Schwestern ist nicht verhandelbar! Abzug des von der FPÖ so geliebten imperialistischen Bundesheeres aus allen Auslandseinsätzen – das zu erkämpfen ist unsere Pflicht gegenüber unseren Brüdern und Schwestern der sogenannten Dritten Welt, die vom Imperialismus in eine Existenz der Halb-Kolonie gezwungen werden!

 

Das und soviel mehr könnten wir schaffen! Das Ibiza Video zeigt einen gewöhnlichen Aspekt bürgerlicher Politik. Es liegt an uns etwas Außergewöhnliches daraus zu machen und es als Startschuss zu verstehen um all das zu bekämpfen, was es uns allen vor Augen führt. Und das ist soviel mehr als ein Strache auf Alkohol oder - wie Böhmermann meint - ein Strache auf Koks.