Debatte über den kapitalistischen Charakter von China

 

Kontroversielle Diskussion bei einem Symposium mit chinesischen Universitätsprofessoren

 

Bericht (mit Fotos und Video) von der Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT), 24 Juli 2018, www.thecommunists.net

 

 

 

Am 23 Juli fand an der Universität Wien ein Symposium mit dem offiziellen Titel “Socialism with Chinese Characteristics” statt. Das Symposium wurde gemeinsam organisiert von der World Association for Political Economy (eine Vereinigung, die von der Chinese Academy of Social Sciences initiiert wurde und jährliche Konferenzen abhält), Transform (eine Stiftung, die der ex-stalinistischen, links-sozialdemokratischen Partei der Europäischen Linken nahesteht, zu der u.a. die LINKE in Deutschland, die französische PCF und Griechenlands SYRIZA zählen), das Ostasien-Institut der Universität Wien sowie die China Study Group Europe. Dieses Symposium war Teil des Besuches von ca. 50 chinesischen Universitätsprofessoren in Europa.

 

Das zentrale Referat sowie die wichtigsten Antworten auf Fragen wurden von Professor Cheng Enfu gehalten, der Direktor der “Academic Division of Marxism Studies” an der Chinese Academy of Social Sciences ist. Darüberhinaus ist er Mitglied des Komitees für Bildung und Wissenschaft im Nationalen Volkskongress Chinas (d.h. von Chinas “Parlament”) sowie Vorsitzender der World Association for Political Economy. Wenig überraschend betonten alle chinesischen Professoren, die sich zu Wort meldeten, den erfolgreichen Vormarsch von Chinas “sozialistischer Marktwirtschaft”. Sie behaupteten, dass zwar der Markt stetig wachse und es mittlerweile 16 Million private Unternehmer gibt; gleichzeitig aber, so ihre Aussage, würde der “öffentliche Sektor” und die staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft nach wie vor der dominante Faktor bleiben.

 

Wie die Revolutionär-Kommunistischen Internationalen Tendenz (RCIT) in verschiedenen Studien herausgearbeitet hat (siehe unten), ist dieser “öffentliche Sektor” in Wirklichkeit ein staatskapitalistischer Sektor. Auf der einen Seite operiert dieser selber auf Basis des Prinzips der Profitmaximierung was bereits zur Entlassung von vielen Millionen Arbeitern sowie Lohnkürzungen geführt hat. Auf der anderen Seite dient der staatskapitalistische Sektor seit Jahren der Herausbildung einer Klasse Privateigentum-besitzender Kapitalisten.

 

Das Symposium wurde von den Reden und Beiträgen mehrerer chinesischen Professoren dominiert. Daher blieb nur sehr wenig Zeit für Beträge aus dem Publikum. Neben einigen kurzen Fragen von Teilnehmern, meldete sich Michael Pröbsting, der Internationale Sekretär der RCIT, mit einem Betrag zu Wort. Darin lehnte er die unkritische Bewertung des „Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“ ab. Er wies darauf hin, dass China mittlerweile die Nr. 1, noch vor den USA, unter den Milliardären auf diesem Planeten ist (laut des chinesischen Hurun Institutes). Ebenso ist China die Nr. 2 unter den größten 2000 kapitalistischen Konzernen geworden – hinter den USA und noch vor Japan und Deutschland. Genosse Pröbsting wies ebenso auf Chinas Rolle als imperialistische Großmacht in halbkolonialen Regionen wie Afrika hin. Er zog die Schlussfolgerung, dass der Titel des Symposiums nicht Sozialismus mit chinesischen Merkmalen“ lauten sollte, sondern „Kapitalismus mit chinesischen Merkmalen“. Genosse Pröbstings Beitrag wurde danach in chinesischer Sprache übersetzt.

 

Wenig überraschend wies Professor Cheng die Kritik von Genosse Pröbsting zurück. Die Auseinandersetzung rief ein lebhaftes Interesse an der marxistischen Kritik des chinesischen Kapitalismus hervor. Am Ende der Veranstaltung kamen daher eine Reihe von österreichischen und chinesischen Teilnehmern des Symposiums zu RCIT Genossen und kauften unsere Journale.

 

Wir haben Bilder der Veranstaltung sowie ein Video mit dem Beitrag von Michael Pröbsting sowie der Antwort von Professor Cheng veröffentlicht. Sie können unten gesehen werden.

 

 

 

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Ein Überblick über die Literatur der RCIT zu China als eine imperialistische Großmacht findet sich auf folgender Unterseiten unserer Homepage: https://www.thecommunists.net/theory/china-russia-as-imperialist-powers/. Im besonderen verweisen wir auf:

 

Michael Pröbsting: The China-India Conflict: Its Causes and Consequences. What are the background and the nature of the tensions between China and India in the Sikkim border region? What should be the tactical conclusions for Socialists and Activists of the Liberation Movements? 18 August 2017, https://www.thecommunists.net/theory/china-india-rivalry/

 

Michael Pröbsting: The China Question and the Marxist Theory of Imperialism, December 2014, https://www.thecommunists.net/theory/reply-to-csr-pco-on-china/;

 

Michael Pröbsting: Der große Raub im Süden. Ausbeutung im Zeitalter der Globalisierung, Promedia 2014. 240 S. brosch., € 17,90. ISBN: 978-3-85371-371-6; Ausführlichere englische Originalfassung: The Great Robbery of the South. Continuity and Changes in the Super-Exploitation of the Semi-Colonial World by Monopoly Capital. Consequences for the Marxist Theory of Imperialism, RCIT Books, Vienna 2013, chapter 10, https://www.thecommunists.net/theory/great-robbery-of-the-south/