Eindrücke zu den Bundestagswahlen in Deutschland am 24.9.17

Artikel von Manfred Maier (RCIT Deutschland), 16.09.2017, www.diekommunisten.net

 

 

 

Die bürgerlichen Parteien, die in Deutschland zur Wahl stehen, haben selbst für ihre Verhältnisse einen weitgehend langweiligen Wahlkampf geführt, der die Probleme der Menschen kaum aufgegriffen hat.

 

Die CDU hat den zentralen Slogan „für ein Deutschland, in dem wir gut und gern leben“ in den Mittelpunkt gestellt und auf die Person Merkels ausgerichtet.

 

Der Spitzenkandidat der SPD startete furios und kam mit seinem Kampf für „soziale Gerechtigkeit“ dann nicht mehr über 24% für die SPD in den Umfragen hinaus. Die CDU blieb während der letzten Monate bei 36-40 Prozent.

 

Einig waren sich die Kandidaten, dass mehr Polizisten eingestellt werden sollen, mehr Abschiebungen stattfinden und die Flüchtlingsabwehr schon in Afrika beginnen sollte.

 

Die weiteren Parteien, sprich Grüne, FDP, AFD und die LINKE liegen jeweils zwischen 7 und 10 Prozent.

 

Insgesamt sind über 40 Parteien am Start, darunter MLPD, DKP und SGP (WSWS/IKVI). Sie werden kaum über 1 Prozent kommen, eher weit darunter.

 

Diese eigentümliche Wahl in Deutschland wirft ein fahles Licht auf die Struktur und den Zustand bürgerlicher Demokratie in imperialistischen Staaten westlicher Prägung.

 

Vielleicht waren Wahlen in den USA, Frankreich oder Britannien scheinbar spannender, aber im Wesentlichen boten sie dem Proletariat, der Jugend, den MigrantInnen usw. wenig attraktive Wahlziele. Vielmehr wurden Themen als wichtig suggeriert (Clinton versus Trump, Brexit, etc.), die zwar die politischen Lager der Imperialisten beschäftigen aber keineswegs authentische Themen der Arbeiterklasse sind.

 

Was wirklich wichtig wäre

 

Parteien wie die LINKE bieten bestenfalls Alternativen im Rahmen des bürgerlichen kapitalistischen Systems an. Eine wirkliche Alternative können und wollen sie nicht anbieten, das ist schlichtweg nicht vorgesehen im Rahmen des aktuellen, bürgerlichen Herrschaftssystems. Aber selbst eine politische Reformierung, die den Einfluss bürgerlicher, kapitalistischer Politik einschränken würde, ist entgegen den platten Behauptungen der LINKE schlicht und einfach nicht möglich.

 

Dabei gibt es mehr als genug soziale und politische Themen, die viele Menschen betreffen: steigende Mieten, prekäre, unsichere Jobs, schlechte Bezahlung, miese Renten usw., Gleichzeitig eine massive Häufung von Eigentum in den Händen weniger reicher Einzelpersonen oder in Verfügung von Konzernen, Versicherungen und Banken, fehlende Lehrer und verfallende Schulen, Umweltprobleme durch Dieselmotoren und verschmutzende Industrie, usw. Ebenso große Probleme für alte Menschen in der Pflege, Defizite in der ärztlichen Versorgung und in den Krankenhäuser - die Liste ließe sich noch lang fortsetzen.

 

Wir als Kommunisten sehen in den bürgerlichen Parlamentswahlen immer eine Art Meßinstrument, das mehr oder weniger genau den Bewußtseinsstand einer wahlberechtigten Bevölkerung wiederspiegelt und unter günstigen Umständen Diskussionsprozesse auslöst. Dabei ist es ein besonderes Kennzeichen von Parlamentswahlen in imperialistischen Staaten, dass große Minderheiten der (migrantischen) Bevölkerung von Wahlen ausgeschlossen sind trotz der angeblich besonders entwickelten Demokratie.

 

Weiterhin schenken große Teile von Wahlberechtigten den Wahlen keinerlei Beachtung mehr. Ob das ein Ausdruck von Klassenbewusstsein ist, muss bezweifelt werden. Vielmehr ist es eine Desillusionierung über die derzeitige Effektivität bürgerlicher Wahlen. Gerade wenn sich größere politische Umbrüche ergeben, können Illusionen in das bürgerliche Wahlsystem aber wieder massiv zunehmen.

 

Für die Arbeiterklasse ist die Schaffung einer revolutionären Arbeiterpartei von besonderer Bedeutung. Diese würde Wahlen als Tribüne zur Verbreitung ihrer Ideen nutzen, ihren Schwerpunkt aber auf die Mobilisierung auf der Straße und den Ausbau klassenunabhängiger Strukturen konzentrieren.

 

Mögliche aber unwahrscheinliche Regierungswechsel

 

In Deutschland stand in den letzten Jahren die Perspektive eines Politikwechsels  in Form einer Rot-Rot-Grünen Regierung zur Debatte. Der Politikwechsel sollte in der Durchsetzung einiger wesentlicher sozialer Projekte bestehen, aber die konkreten Vorstellungen darüber waren zwischen den drei dazu in Frage kommenden Parteien ( SPD, LINKE, GRÜNE) sehr unterschiedlich und auch innerhalb dieser Parteien sehr verschieden bewertet.

 

Die Wahlaussagen der drei möglichen Parteien rund um die Möglichkeit für eine Rot-Rot-Grüne Regierung zeigen, dass in der Politik gegenüber Migranten auch durchaus reaktionäre Vorhaben angedacht sind, wie sich aus Aussagen von Wagenknecht und Schulz, aber auch Repräsentanten der Grünen ableiten lässt.

 

Eine solche Rot-Rot-Grüne Regierung würde ebenso die Stärkung des Polizeiapparates wenn auch in vermutlich geringerem Tempo und Ausmaß umsetzen.

 

Eine solche Rot-Rot-Grüne Regierung hätte auch nichts gemein mit einer revolutionären Arbeiterregierung, die den Weg einer Entmachtung der Bourgeoisie, einer Enteignung des Großkapitals und der Banken sowie einer Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates geht.

 

Die Perspektive einer Arbeiterregierung allgemein ergibt sich auch am wenigsten aus Parlamentswahlen, sondern aus Zuspitzungen von Klassenkampfsituationen, die von einem politisch organisierten und mobilierten Proletariat ausgehen. Diese Option entspricht noch nicht der Realität des Landes.

 

Dabei gibt es auch in Deutschland mehr als genug Konfliktpotential, dass sich aus dem Abbau demokratischer Rechte und krasser sozialer Ungerechtigkeit ergibt. Ferner hat sich in Deutschland  2015 eine Bewegung zur Unterstützung von Refugees entwickelt, die durchaus Massencharakter besaß und auch heute noch aktiv ist. Das alles wären Komponenten einer neu erwachten politischen und sozialen Bewegung gewesen. Aber die Zeit war dazu noch nicht reif. Sie hatte und hat keine Strukturen, die diese Potentiale hätte entwickeln können. NLO und NaO sind gescheitert beim Versuch, solche Keimzellen zu werden, zu den Ursachen bei der NaO haben wir auf schon ausführlich Stellung bezogen (siehe Deutschland: Was kann man aus dem Scheitern der NAO lernen? https://www.diekommunisten.net/deutschland/nao-endet/)

 

In anderen Ländern haben sich durchaus politische Bewegungen und Veränderungen in Parteien herausgebildet, die Kernzellen sozialer und demokratischer Herausforderungen imperialistischer Staaten werden können.

 

Es besteht die Gefahr, dass die Rechtspopulisten der AFD u.a. das soziale Protestpotential abschöpfen und auf reaktionäre Bahnen lenken können.

 

Der langsame Verfall der bürgerlichen Parteien in Deutschland

 

In der Analyse der Wahlergebnisse der bürgerlichen Parteien haben wir Materialien veröffentlicht, die darlegen, dass alle bürgerlichen Parteien und auch besonders die SPD als bürgerliche Arbeiterpartei unter einem Rückgang der absoluten Wählerzahlen zu leiden haben. Diese Tendenz der SPD scheint sich unter dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz fortzusetzen.

 

50 % der Wahlberechtigten sollen noch nicht wissen, wen sie wählen werden am 24.9.17. Das deutet auf eine schwindende Parteibindung der potentiellen WählerInnen hin.

 

Warum und wie die LINKE wählen?

 

In Erwägung all dessen und mit viel Kritik an Programm und Aussagen von Repräsentanten der LINKEN, fordern wir auf, am 24.9. die LINKE zu wählen.

 

Die LINKE hat in Deutschland noch eine gewisse Verankerung unter GewerkschafterInnen, in sozialen Bewegungen usw. Während wir uns keinerlei Illusion über das politische Programm und die Realpolitik der LINKEN machen, gibt es viele, die genau das tun, und um die geht es. Zu all jenen mit Illusionen an die LINKE sagen wir unter anderem: Der Lackmustest für die LINKE ist ihre Politik, wenn sie an Regierungen mit der SPD und anderen beteiligt ist, so in Berlin, Brandenburg und Thüringen.

 

Wir rufen dazu auf die LINKE zu wählen aber sagen ganz klar dabei: Verbindet eine Wahl für die LINKE mit konkreten Forderungen an die Repräsentanten der LINKE. Diese müssen gegen jeden Angriff auf die ArbeiterInnenklasse und die Unterdrückten, sowie gegen jede Kürzung im Bildungs- und Sozialsystem, im Gesundheitswesen und dem Pensionssystem auftreten und die Austeritätspolitik konsequent ablehnen. Ebenso ist der Bundeswehreinsatz in Mali mit allen Mitteln abzulehnen und für den kompletten Abzug der Besatzertruppen zu kämpfen. Die unter dem Namen MINUSMA geführte Besatzung Malis ist die zentrale militärische Auslandsintervention des imperialistischen Deutschlands wie der imperialistischen EU als solches. Die LINKE muss da eine klar und konsequente, anti-imperialistische Haltung auf Dauer beweisen. Es ist ihre Pflicht Ressourcen und Mittel zur Verfügung zu stellen um die Proteste auf der Straße gegen die Austeritätspolitik, gegen rassistische Angriffe und Proteste gegen imperialistische Einsätze zu unterstützen. Wir verurteilen scharf die positive Haltung der LINKE gegenüber den Ausbau des Repressionsapparat und ihres verkappten Rassismus gegenüber Migranten. Wir sagen ebenso, dass wir uns nicht auf die Wahlen als Kampfmittel verlassen dürfen um eben diese Austeritätspolitik zu verhindern bzw. zurückzuschlagen. Wir warnen all jene, die glauben die LINKE zu wählen löse die derzeitigen Probleme der Arbeitslosigkeit, wachsenden Armut und zunehmenden Rassismus vor diesen Illusionen. Nur die Schaffung einer wirklich revolutionären Kraft, einer revolutionären Arbeiterpartei kann das Instrument zur Lösung der durch die kapitalistischen Krise verursachten Misere sein.

 

Das revolutionäre Programm der RCIT gegen die kapitalistische Krise finden alle interessierten Leser unter: https://www.thecommunists.net/home/deutsch/rcit-programm-2016/