Zu einigen Fragen der zionistischen Unterdrückung und der permanenten Revolution in Palästina

Überlegungen zu einigen Besonderheiten des Staates Israel, der nationalen Unterdrückung des palästinensischen Volkes und ihren Konsequenzen für das revolutionäre Programm in Palästina

Von Michael Pröbsting

 

Vorwort der Redaktion: Im Folgenden veröffentlichen wir die deutschsprachige Übersetzung des Essays „On some Questions of the Zionist Oppression and the Permanent Revolution in Palestine“. Darin behandelt der Autor, Michael Pröbsting, eine Reihe von Frage der Analyse und der revolutionären Strategie im besetzten Palästina.

Das Essay erschien ursprünglich in Revolutionary Communism Nr. 10 (Juni 2013) – dem englischsprachigen Organ der Revolutionär-Kommunistische Internationale Tendenz (RCIT).

Michael Pröbsting, ist der Internationale Sekretär der RCIT. Die RKO BEFREIUNG ist die österreichische Sektion der RCIT.

Der Text wurde von Max Kmiecik übersetzt.

 

* * * * *

 

Die palästinensische Revolution ist eine zentrale Frage des internationalen Klassenkampfes und das schon seit über einem halben Jahrhundert. Der Grund dafür ist, daß sie eines der größten Verbrechen des Imperialismus des 20. Jahrhundert behandelt. Es symbolisiert die Barbarei der imperialistischen Großmächte, die ein ganzes Volk von ihrem historischen Heimatland durch die künstliche Schaffung eines Siedlerstaates vertrieben und zum Zweck, dadurch die Kontrolle über eine geostrategisch äußerst wichtige Region – dem Nahen Osten – zu erlangen.

Wenig überraschend sind Palästina und Israel Ort vieler Kriege gewesen – 1948, 1956, 1967, 1973, 1982, 2006, 2008/09 und 2012. Außerdem wurden wir Zeuge von zwei palästinensischen Intifadas (Volksaufstände), welche in den Jahren 1987 und 2000 ihren Anfang nahmen und jeweils einige Jahre andauerten. Die Arabische Revolution, welche bereits im Jahr 2011 begann, sorgte dafür, daß die Bedeutung der palästinensischen Revolution immer größer wurde.

Für uns Bolschewiki-Kommunisten hat die palästinensische Frage immer eine zentrale Rolle gespielt, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Niemand kann auch nur ansatzweise Revolutionär/in sein, ohne konsequent gegen Zionismus und den israelischen Apartheidstaat zu kämpfen und für seine Ersetzung durch einen ArbeiterInnenstaat vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer einzutreten, was das Recht auf Rückkehr für alle palästinensischen Flüchtlinge miteinschließt.

Dies ist und war die Position all jener, welche in der Tradition des authentischen Marxismus stehen. Diese selbstverständliche revolutionäre Herangehensweise zur palästinensischen Revolution stellte ein wichtiges Element in der Fusion der Revolutionary Communist International Tendency (RCIT) und der Internationalist Socialist League (ISL) in Israel/Besetztes Palästina dar. Beide Organisationen verteidigten in der Vergangenheit eine revolutionäre Perspektive gegen den Zionismus, für eine bedingungslose Unterstützung des palästinensischen Freiheitskampfes und für einen ArbeiterInnenstaat vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer mit dem Recht auf Rückkehr für die palästinensischen Flüchtlinge. Die Diskussion rund um den Fusionsprozess war sehr fruchtbar und half uns unsere gemeinsames Verständnis zu vertiefen. Ein wichtiges Ergebnis davon, war der Entwurf für ein Aktionsprogramm für die nationale Befreiung und sozialistische Revolution in Palästina.

Im folgenden Dokument wollen wir einige grundlegenden Fragen zur Strategie der Permanenten Revolution in Palästina umreißen

 

Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution

 

Beginnen wir mit einer kurzen Zusammenfassung von Trotzkis Konzept der Permanenten Revolution. Es basiert auf dem dialektischen Konzept, daß die Revolution nicht schematisch in Etappen unterteilt werden kann, welche starr voneinander getrennt sind. Das heißt nicht, daß es keine verschiedenen Etappen in der Entwicklung der Revolution gibt. Das ist sehr wohl der Fall. Aber in allen Etappen der Revolution ist es dieselbe Klasse, welche den Kampf anführen muss, um sowohl die demokratischen als auch ökonomischen Ziele der Revolution zu verwirklichen: die ArbeiterInnenklasse.

Natürlich muß die ArbeiterInnenklasse Verbündete unter der Bauernschaft und dem städtischen Kleinbürgertum suchen. Aber es ist das Proletariat, und nur das Proletariat, welches den Kampf zum Sieg führen kann. Der Grund dafür ist, daß die Bauernschaft und das städtische Kleinbürgertum – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – keine Klassen sind, die unabhängig handeln können, und daher auch keine führende Rolle spielen können. Sie müssen sich viel mehr früher oder später einer der beiden Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft unterordnen – dem Proletariat oder der Bourgeoisie.

Daraus folgt, daß in allen Etappen der Revolution das strategische Ziel die Etablierung der Diktatur des Proletariats und nicht irgendeiner anderen Macht einer anderen Klasse ist. Während vorübergehende Blöcke mit einem Sektor der Bourgeoise nicht ausgeschlossen werden können, wäre es aber höchst kriminell gegenüber der ArbeiterInnenklasse, ihre Ziele und Interessen unterzuordnen, nur um eine potentielle Allianz mit solch bourgeoisen Kräften zu ermöglichen. Es wäre noch krimineller die Machtergreifung bürgerlicher Kräfte zu unterstützen. Jeder Sektor der halb-kolonialen Bourgeoisie wird nach einem Ausgleich mit dem Imperialismus trachten und die ArbeiterInnenklasse sowie die Volksmassen verraten.

Die Theorie der Permanenten Revolution folgert, daß wenn die Revolution nicht bis zur sozialistischen Ergreifung der Macht vorangetrieben wird, sie unausweichlich zum Sieg der herrschenden Klasse und zur Konterrevolution führen wird. Auf ähnliche Weise weist die Theorie der Permanenten Revolution darauf hin, daß die Revolution nicht siegreich bleiben kann in einem einzelnen Land (entgegen, dem was Stalin behauptete), sondern sich international ausweiten muss. Die moderne Wirtschaft, insbesondere im Zeitalter des globalen Kapitalismus, macht alle Länder abhängig vom internationalen Austausch von Gütern, Technologie und Wissen. Darüber hinaus würden die imperialistischen Mächte früher oder später eine erfolgreiche Revolution in einem Land nicht tolerieren. MarxistInnen unterstützen die Strategie der Permanenten Revolution also nicht, weil sie radikaler oder „aufregend“ ist, sondern weil sie den einzigen realistischen Weg aufzeigt, das kapitalistische System zu überwinden und eine wahrhaftige sozialistische Gesellschaft aufzubauen. [1]

In seinem Buch „Die Permanente Revolution“, geschrieben 1929, erklärt Trotzki die drei grundlegenden Elemente seiner Theorie:

Die permanente Revolution in dem Sinne, den Marx diesem Begriff gegeben hat, bedeutet eine Revolution, die sich mit keiner Form der Klassenherrschaft abfindet, die bei der demokratischen Etappe nicht haltgemacht, zu sozialistischen Maßnahmen und zum Kriege gegen die Reaktion von außen übergeht, also eine Revolution, deren jede weitere Etappe in der vorangegangenen verankert ist und die nur enden kann mit der restlosen Liquidierung der Klassengesellschaft überhaupt. Um jenes Chaos zu zerstreuen, das um die Theorie der permanenten Revolution geschaffen wurde, ist es nötig, drei Gedankenreihen zu unterscheiden, die sich in dieser Theorie vereinigen. Erstens umfaßt sie das Problem des Überganges der demokratischen Revolution in die sozialistische. Dies ist eigentlich die historische Entstehung der Theorie. (…)

Diesen Ideen und Stimmungen erklärte die im Jahre 1905 neu erwachte Theorie der permanenten Revolution den Krieg. Sie zeigte, daß die demokratischen Aufgaben der zurückgebliebenen bürgerlichen Nationen in unserer Epoche zur Diktatur des Proletariats führen und daß die Diktatur des Proletariats die sozialistischen Aufgaben auf die Tagesordnung stellt